Nachbar:innen besichtigen gemeinsam Industrieruinen
Bild: privat

Spaziergänge durch die Ortsgeschichte bringen Nachbar:innen zusammen


Verfall, Ruinen und Leere bestimmten einst das Straßenbild von Katrins Nachbarschaft. Heute hat sich das Viertel enorm gewandelt: Mit neuen Bewohner:innen kam auch neues Leben. Katrin begibt sich regelmäßig auf Spurensuche und entdeckt gemeinsam mit ihren Nachbar:innen die Ortsgeschichte(n) – von früher bis heute.

Katrin lebt in Leutzsch, einem von Industrie geprägten Vorort von Leipzig: Wo früher die Maschinen und Fabriken ohne Pause in Betrieb waren, zeigen sich auch heute Industrieruinen und Spuren einstiger intensiver Nutzung im Straßenbild. Vieles hat sich im Wohnviertel geändert, es wurde bunter, lauter und vielfältiger. Mit ihren Spaziergängen durch die Nachbarschaft möchte Katrin vor allem ihren neuen Nachbar:innen die Ortsgeschichte(n) näher bringen. „Zugezogene bereichern das Stadtbild“, findet sie. 

Katrin möchte ihr Wohnviertel und die Bewohner:innen nicht nur passiv erfahren. „Mein Ziel ist es, mittels regionaler Geschichte eine Verbindung zum Viertel und den Anwohner:innen anzuschieben”, erklärt sie.

Gerade in der aktuellen Zeit, in der wir mit viel Komplexität zu tun haben, welche oft als Überforderung empfunden wird, sind Kontakte in der engeren Nachbarschaft wichtig.

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Spaziergänger:innen gesucht

Katrin versucht zunächst erfolglos, mittels der Idee eines temporären Stadtteilmuseums, Alt- und Neunachbar:innen zusammenzubringen. Ihre Vision: Mittels der Alltagsgeschichte(n) der Bewohner:innen – dem Auf und Ab – miteinander ins Gespräch zu kommen. Um ihrer Museumsidee einen Schritt näher zu kommen, gründet sie 2019 die Gruppe „Ortsgeschichte(n)“ in ihrer Nachbarschaft Leutzsch bei nebenan.de. Ihr Nachbar Günther gibt daraufhin den Anstoß, den Austausch über die Geschichte bei gemeinsamen Spaziergängen zu vertiefen – das Ergebnis: Katrins regelmäßige „Ortsgeschichten-Spaziergänge“.

Konkret bietet sie ihren Nachbar:innen regelmäßige Spaziergänge, als thematischen Feierabendklatsch, durch das Viertel an. Dabei unternehmen sie und ihre Nachbar:innen nicht ausschließlich historische Spaziergänge, vielmehr sprechen sie auch über aktuelle Ortsgeschichte(n) und Entwicklungen in der Nachbarschaft.


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Generationsübergreifende Spaziergänge

Katrin ruft zum Ortsgeschichte-Spaziergang auf.

„Der erste Spaziergang war schon spannend: Vier Frauen aus drei Generationen standen am verabredeten Treffpunkt“, erinnert Katrin sich.

Mithilfe regionaler Bezeichnungen wie „Affeninsel“ und „Wilder Mann“ hat Katrin erfolgreich die Neugier bei ihren Nachbar:innen geweckt. Für ihre Spaziergänge veröffentlicht Katrin bei nebenan.de immer den Streckenplan, den Treffpunkt, den Zeitrahmen und private histroische Bilder von Orten, die am Spazierweg liegen.

So schreibt sie auf nebenan.de: „Hallo Nachbarn, am Dienstag: Spaziergang „Erholungs vor Ort - gestern und heute “. Diesmal werden es 3,8 km = ca. 1 Stunde“.

Mittlerweile ist die Nachbarschaftsgruppe gewachsen und teilweise spazieren sie zu zwölft durch Kleingartenanlagen, Industriebrachen, den Auenwald und Wohnstraßen. Die Spaziergänger:innen sind zwischen 20 und 80 Jahre alt. Ein, zwei Eckdaten zur Ortsgeschichte bieten immer die Grundlage für ausgiebige Gespräche. „Am jeweiligen Ziel des Spaziergangs wird weiter geplaudert, bis es in Kleingruppen wieder nach Hause geht“, erklärt Katrin.

Von Spazierfreundschaften zur Vereinsgründung

Die Begegnungen zwischen den verschiedenen Generationen und Nationalitäten bei den gemeinsamen Spaziergängen sind eine bereichernde Erfahrung für alle Beteiligten.

Durch Katrins Spaziergänge sind schon einige „Spazierfreundschaften“ entstanden. Das große Interesse aus der Nachbarschaft an ihrem Angebot macht ihr Lust auf mehr: Mithilfe der kennengelernten Nachbar:innen will sie einen ortsteilübergreifenden Verein gründen, welcher diverse Hilfeleistungen sowie weitere gemeinsame Aktionen über die Ortsgeschichten-Spaziergänge hinaus ermöglicht.

Konkret möchte sie die Nachbarschaftsspaziergänge auch digital zugänglich machen: Strecken, Daten und Besonderheiten der Spaziergänge archivieren, um diese Fakten in Geschichten zu verwandeln. Damit will Katrin auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität erreichen und sie an ihren Ortsgeschichten teilhaben lassen. Parallel dazu plant sie in diesem Jahr ein neues Spaziergang-Format, die „Ortsgeschichte(n)-Spaziergänge in Häppchen“. Das bedeutet, dass die Spaziergänge immer barrierefreie ÖPNV-Haltestellen als Start und Zwischenstopps haben. So können auch Nachbar:innen mit Handicap an den gemeinsamen Aktivitäten teilnehmen.


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Tanja Ongherth | nebenan.de

Tanja unterstützt seit Februar 2022 das Kommunikationsteam von nebenan.de als Werkstudentin im Bereich Social Media und Content Creation. Sie studiert Marketingkommunikation im Bachelor an der Hochschule für Design und Kommunikation Berlin.