Eigentlich will Steffen an diesem Abend im Stuttgarter Kurpark einfach nur abschalten und den Kopf nach seiner Prüfungszeit frei bekommen. Doch dann kommt alles ganz anders. Auf der Suche nach einem ruhigen Fleckchen schlendert er bis zur Pergola am Westende. Steffen weiß, dass hier ab und zu Obdachlose übernachten, doch dass ihn einer von ihnen anspricht, hat er nicht erwartet. Ein bärtiger Mann bittet Steffen panisch um Hilfe: Eine Gruppe Jugendlicher war auf das Dach der Pergola geklettert, trampelte darauf herum, er fühlte sich bedroht. Schließlich könne er sich wegen seines verletzten Beins kaum wehren und auch die Messerattacke vom letzten Winter stecke ihm noch in den Knochen, erzählt er Steffen aufgebracht.
Vom Retter zum Dauergast
Steffen ruft kurzerhand die Polizei. Die Jugendlichen werden wenig später zur Rede gestellt und lassen den Obdachlosen Hanno schließlich in Ruhe. Seit diesem Tag kommt Steffen regelmäßig zur Pergola, um nach Hanno zu sehen. Nach und nach erfährt er, warum Hanno auf der Straße gelandet ist: Der 45-Jährige verletzte sich bei seiner Arbeit als Zimmermann eines Tages die Hand so unglücklich, dass er berufsunfähig wurde und ihn die Arbeitslosigkeit aus der Bahn warf. Seit 13 Monaten ist er nun obdachlos.
Im Oktober, als die Nächte kälter werden, macht sich Steffen Sorgen, dass sich Hannos Gesundheitszustand unter der zugigen Pergola weiter verschlechtert. Was tun? Steffen hat selbst ein kleines Kind zu Hause und muss für seine Erzieher-Ausbildung pauken. Ihm wird klar: er braucht Mitstreiter.
Aktivierung der Nachbarschaft
Kurzerhand meldet sich Steffen beim Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de an: Er hatte schon durch die Hofflohmärkte in seinem Viertel viel Gutes über die Plattform gehört. Er hofft auf Unterstützung aus der Nachbarschaft und startet einen Hilfeaufruf:
„(…) Der Winter naht und es ist bestimmt schwer in der Witterung zu bestehen. Hiermit möchte ich alle Nachbarn bitten, einen kleinen Beitrag zu leisten. Eine alte Decke, eine Dose Erbsen oder ein Feldkocher würden schon reichen. Ihr könnt eure "Spenden" gerne bei mir abgeben. Ich werde mich um die Überbringung kümmern. Oder ihr übergebt es direkt im Kurpark in der Pergola.“
Eine Tüte Hilfsbereitschaft
Die Nachbarn reagieren prompt: Mit Ratschlägen, Kontakten, viel Zuspruch und – jeder Menge Spenden.
Noch am gleichen Abend stand eine vollgepackte Tüte mit Gaskocher, einer Jacke und Konserven vor meiner Tür! Von meinem Nachbar Rainer. Ich war ganz verblüfft, was alles in der Tasche war!
Nach und nach kommen immer mehr Spenden und Hilfsangebote zusammen. Netter Nebeneffekt: Durch die Aktion lernt Steffen viele Nachbarn persönlich kennen. „Subbr Sach“, sagt der gebürtige Thüringer, der seit 2013 im schwäbischen Stuttgart lebt. An die Helfer schreibt er auf nebenan.de:
„Liebe Nachbarn, ich bin begeistert von eurer Hilfsbereitschaft. In dem Maßstab habe ich das nicht erwartet. WIR haben inzwischen aufgetrieben: Schlafsack und Isomatte. Campingkocher (!!!!! wie cool ist das denn?!), Schuhe, Decke, Socken, Dosenöffner, Konserven. Was noch benötigt wird ist eine MÜTZE! Und "Futter". Konserven oder was auch immer. (…) Danke Nachbarschaft für die Hilfe!“
Sichtbare und unsichtbare Spenden
Alle ein bis zwei Wochen geht Steffen bei Hanno vorbei und bringt ihm die Spenden aus der Nachbarschaft vorbei. Hanno ist gerührt und sehr dankbar für die unerwartete Unterstützung. Denn in ein Obdachlosenheim will er nicht mehr gehen: „Da trinken sie den ganzen Tag nur Schnaps, das ist nichts für mich!“
Steffen will noch einen Schritt weitergehen und Hanno auch in Kontakt mit anderen Nachbarn bringen. Er fragt auf der Plattform, wer Lust hätte, ihn bei seinem nächsten Besuch bei Hanno zu begleiten und ihn kennenzulernen.
Die Reaktionen waren sehr positiv. Ich fände es toll, wenn noch mehr Leute dafür sorgen, dass Nachbarn wie Hanno weniger alleine sind.
Weg von der Straße zurück ins Leben?
Seit dem ersten Kontakt zu Hanno ist ein halbes Jahr vergangen. Aber die nachbarschaftlichen Kontakte sind geblieben. Steffens Nachbar Rainer hat Hanno zu sich nach Hause eingeladen, um in Ruhe zu duschen. Hanno wird mittlerweile von einem Sozialarbeiter betreut und ein älteres Ehepaar hat sogar angeboten, ihn vorübergehend in einem freien Zimmer in ihrem Haus unterzubringen.
Steffen würde sich wünschen, wenn Hanno den Sprung weg von der Straße schaffen würde. Er ist optimistisch: „Mit 45 ist es nicht zu spät, noch mal von vorne anzufangen“.
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