Darum sind offene Räume wichtig für die Nachbarschaft
Das Mehrgenerationenhaus "Haus der Zukunft" ist mit seiner unkonventionellen Holzfassade ein echter Hingucker in der Wohnsiedlung am Bremer Stadtrand. Menschen jeden Alters und aus verschiedensten Herkunftsländern gehen hier ein und aus.
Die vielfältigen Angebote des Nachbarschaftshauses reichen von Kinderturnen über Kurse vom Elternverein bis zu Kulturcafé und Deutschkursen.
Heike ist die Gründerin und 1. Vorsitzende vom Haus der Zukunft e.V.. Seit 2006 leitet die Sozialpädagogin den Verein und ist bei der Stadt angestellt.
Ein etwas anderes Bild zeigt sich rund um den Demokratiebahnhof in Anklam in Mecklenburg-Vorpommern. Rechtsextreme Strukturen sind im Ort verbreitet und es gibt in der Umgebung kaum Angebote, um als Nachbarn die Freizeit gemeinsam zu verbringen.
Im ehemaligen Bahnhof ist dazu seit 2014 als Gegenentwurf ein Jugend-und Kulturzentrum entstanden. Jugendliche können hier mitbestimmen und sich selbstorganisiert engagieren.
Gesana studiert soziale Arbeit und ist seit 5 Jahren im Demokratiebahnhof in Anklam aktiv. Anfangs sollte sie nur beim Wände streichen helfen, mittlerweile plant und unterstützt die 22-Jährige viele Veranstaltungen im Verein.
Welche Relevanz haben offene Begegnungsräume für die Nachbarschaften, in denen ihr euch engagiert?
Heike: Ich sehe das so: Unser Haus der Zukunft ist die Herzkammer des Quartiers. Hier werden die Potentiale der Menschen sichtbar. Im September hatten wir zum Beispiel ein großes “Café der Begegnung”. An jedem Tisch saßen Nachbarn aus verschiedenen Ländern zusammen. So sind viele schöne Kontakte entstanden: Die Frauen vom Strick-Café haben ihre syrischen und afghanischen Tischnachbarinnen zu ihrem nächsten Treffen eingeladen. Um so etwas zu ermöglichen, braucht es solche Räume.
Gesana: Bei uns im Demokratiebahnhof treffen Menschen aufeinander, die im Alltag sonst wenig Überschneidungen haben. Im offenen Jugendtreff treffen Jugendliche mit den unterschiedlichsten Lebensrealitäten aufeinander.
Hier in Anklam fehlen andere Angebote in der Richtung, daher finden wir es umso wichtiger, Begegnungsmöglichkeiten anzubieten. Auch ältere Menschen genießen die Gemeinschaft und kommen gerne mal am Morgen auf einen Kaffee vorbei.
Was ist eurer Erfahrung nach wichtig dafür, dass so ein Miteinander gelingt?
Heike: Die Haltung der beteiligten Menschen ist entscheidend. Wir haben uns vor der Eröffnung mit unseren damals 30 Haupt- und Ehrenamtlichen zusammengesetzt und ein Leitbild entwickelt. Die Gruppe braucht Offenheit und den Blick darauf, dass die Nachbarschaft bunter geworden ist. Natürlich auch die Lust, sich für ein Miteinander einzusetzen und das gemeinsam weiter zu entwickeln. Eine Anleitung ist wichtig – jemand, der organisiert und die Gruppe im Blick hat.
Die Freundlichkeit und Offenheit im Team spüren auch unsere Besucher. Oft bedanken sich Nachbarn für die herzliche Atmosphäre.
Gesana: Wir gestalten die Räume bei uns sehr offen - jede und jeder ist willkommen. Bei uns ist gerade der Mitbestimmungsaspekt sehr wichtig: Wir entwickeln Ideen zusammen und gestalten den Raum gemeinsam, vor allem im Jugendtreff.
Ein gemütliches Umfeld hilft auch. Unser schön dekorierter Außenbereich mit Sofas kommt gut an! Und es macht einfach Freude, Zeit im Garten mit Musik und gutem Essen zu verbringen.
In den letzten Jahren haben wir immer mehr gemerkt, wie viel Input und Anleitung nötig ist, damit etwas passiert. Langfristig wollen wir gern noch mehr Freiraum für die Mitgestaltung durch die Nachbarn ermöglichen. Natürlich ist auch wichtig, dass wir vom Verein Lust auf die Projekte haben – und uns nicht verunsichern lassen, wenn manche Nachbarn mit unserem Angebot nichts anfangen können.
Wie motiviert ihr Nachbarn dazu, sich einzubringen und eure Angebote zu nutzen?
Gesana: Man merkt bei uns ganz deutlich: Wir müssen den Nerv treffen, mit dem die Leute etwas anfangen können. Viele stecken voll in ihrem Alltag, unsere Angebote müssen daher einen klaren Mehrwert bieten. Unser Apfelsaftfest im Herbst war sicher auch deshalb so ein großer Erfolg, weil am Ende alle eine Flasche Apfelsaft mit nach Hause nehmen konnten.
Wir lernen selbst noch dazu und probieren aus, was gut ankommt. Wichtig ist auf jeden Fall, ein Gespür dafür zu entwickeln, was für einen Bedarf es bei den Leuten gibt.
Heike: Viele ältere Leute und Menschen, die geflüchtet sind, haben hier kein Internet. Die Nachbarn im Quartier persönlich anzusprechen ist daher sehr wichtig. Das kann passieren, wenn man sich über den Weg läuft und bei öffentlichen Sitzungen im Rahmen der Quartiersentwicklung. Wir machen die Nachbarn auch über Zeitungsartikel, Flyer und unsere Website auf die Angebote aufmerksam.
Was ist euer Rat an Menschen, die auch gerne Zugang zu solchen offenen Räume in ihrer Nachbarschaft hätten?
Heike: Schaut euch erst mal vor Ort um: Gibt es bei euch zum Beispiel schon ein Bürgerhaus, ein Mehrgenerationenhaus oder einen anderen Begegnungsort?
Alleine etwas zu starten, ist eher schwierig. Wenn jemand also so etwas umsetzen möchte, empfehle ich sich umzuschauen, wo es schon aktive Nachbarn gibt – wo kann ich mit andocken und mich einbringen?
Wenn sich jemand vom Haus der Zukunft inspirieren lassen möchte: Meldet euch gern und schaut euch an, was wir hier aufgebaut haben. Hier kommen regelmäßig Besucher aus anderen Städten vorbei, die so etwas starten wollen.
Gesana: Ich sage: Legt selbst mit einer kleinen Initiative los! Wichtig ist es, ein gemeinsames Ziel zu haben. Dann kann man das in einer kleinen Community gut umsetzen. Gerade entstehen ja z.B. an vielen Orten kleine Urban Gardening-Projekte.
Man sollte aber auch nicht illusorisch sein: In so ein Projekt muss man viel Zeit und Arbeit stecken. Aber eine motivierte Gruppe, die etwas bewegen will, gibt einem viel Kraft und dann wird Vieles auf einmal möglich.
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