„Eigentlich verstehe ich mich hier mit allen Nachbarn super gut. Ich lebe schon seit vier Jahren hier, es sind alle Nationalitäten vertreten und insgesamt ist die Gegend ziemlich ruhig“, erzählt Batul. Die Betonung liegt auf dem Wort „eigentlich“. Denn vor einiger Zeit wurde Batuls Vertrauen in ihre Berliner Nachbarschaft erschüttert.
Batul stieg gerade mit ihren beiden Söhnen aus dem Auto, als ein Mann auf sie zukam und sie beschimpfte: „Euch geht’s echt zu gut hier!“ Batul war zuerst irritiert und fragte ihn, wen er mit „euch“ meine. Der Mann ließ eine Hasstirade los: Ihr Ausländer, mit euren Autos, auf Kosten vom Staat, Schmarotzer... Batul verteidigte sich, dass sie und ihr Mann berufstätigt seien und beide hart dafür gearbeitet hätten, sich ein Auto zu leisten. Doch der Mann schnitt ihr das Wort ab: „Halt die Fresse und verpiss dich in dein Land zurück“.
Davor habe ich mich hier immer sicher gefühlt. Aber das war ein Schock für mich. Ich hatte ja auch noch meine Kinder dabei,
erzählt Batul. Sie sieht den Mann seitdem mehrmals wöchentlich beim Gassi-Gehen mit seinem Hund; anscheinend wohnt er ebenfalls in ihrem Kiez Berlin-Tempelhof.
Handeln statt schweigen
Batul überlegte lange, wie sie mit der Begegnung umgehen wollte. Dann fasste sie den Mut, auf der Nachbarschaftsplattform nebenan.de darüber zu berichten. Einerseits in der Hoffnung, den Mann zum Gespräch auffordern zu können; andererseits, um das Thema Rassismus offen in ihrer digitalen Nachbarschaft anzusprechen.
Die Reaktion der Nachbarn: Unterstützung und Zuspruch
Batuls ehrlicher Bericht auf nebenan.de schlug schon nach kurzer Zeit Wellen in ihrer Nachbarschaft. Viele Nachbarn kommentierten ihren Eintrag mit gutem Zuspruch, konkreten Hilfsangeboten und Einladungen zum Gespräch. Zum Beispiel:
Offene Worte von einer sehr starken Frau. Gut, dass Du sie nicht für Dich behältst und allen Deine Perspektive vor Augen führst. Danke dafür!
Liebe Batul, das tut mir unendlich leid! Vermutlich fühlen Sie sich nun weniger sicher und gestresst. Sollten Sie jemals bedrängt werden, rufen Sie mich an.
Liebe Batul, Ich würde gern mit dir Tee trinken und reden. Glaub mir- diese schlechte Erfahrung kannst du durch viele schöne andere Begegnungen mit Menschen in deiner Umgebung ersetzen- das schaffst du!
Batul war ganz überwältigt vom positiven Zuspruch ihrer Nachbarn: „Mit so vielen Reaktionen hatte ich nicht gerechnet. Es war sehr schön zu sehen, dass die anderen Nachbarn mir so viel Mut gemacht haben und viele mich jetzt auch besser kennenlernen wollen“, sagt sie.
Austausch im geschützten Raum
Alle öffentlichen Kommentare auf Batuls Beitrag waren positiv. Doch Batul erhielt auch viele private Nachrichten, darunter auch kritische Rückfragen:
"Eine Frau hat mir eine Privatnachricht geschrieben und gefragt, warum ich denn ein Kopftuch trage, wenn ich behaupte, dass ich mich angepasst hätte. Ich habe ihr dann erklärt, dass ich, obwohl ich in Deutschland geboren bin und in einem christlichen Krankenhaus arbeite, muslimischen Glaubens bin und mich bewusst für das Kopftuch entschieden habe."
Batul fand es gut, dass sich die Nachbarin bei ihr meldete und sich traute, ihr diese Frage zu stellen. Denn oft fehle der Austausch über solche Fragen im Alltag.
Das Schöne war: Ich habe die Nachbarin dann eingeladen, dass wir ja mal zusammen einen Tee trinken und darüber sprechen könnten. Da hat sie zugestimmt und wir wollen uns tatsächlich treffen, sobald es wieder wärmer wird.
Vorurteile in der digitalen Nachbarschaft abbauen
Batul ist seit 1,5 Jahren bei nebenan.de angemeldet und hat die Nachbarschaftsplattform bereits genutzt, um andere Mütter kennenzulernen und einige Sachen zu verkaufen. Ihre Herkunft spielte dabei nie eine Rolle. Sie ist überzeugt, dass das Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de dabei helfen kann, Rassismus und Vorurteile abzubauen:
„Ich bin bewusst nicht bei Facebook. Der ganze Hass in den Kommentaren ist mir zu viel. Bei nebenan.de traut sich das keiner, weil ja alle Nachbarn sind. Ich glaube, dass so auch Leute miteinander in Kontakt kommen, die sich sonst vielleicht meiden. Sie können andere Ansichten wie meine mitbekommen und erst mal drüber nachdenken.“
Nachbarschaften sind im Gegensatz zu Freundeskreisen bunt durchmischt. Wer sich online mit Nachbarn austauscht, macht einen Schritt aus der Filterblase heraus und kann unkompliziert auf Menschen aus anderen Kulturen zugehen.
„Ich bin offen dafür, mich mit Leuten vernünftig zu unterhalten und zu diskutieren“, sagt Batul. Sie findet es wichtig, dass das Thema Fremdenfeindlichkeit nicht tabuisiert wird, egal ob online oder offline.
Batul sammelt schon jetzt Kleidungsstücke, die sie gerne im Frühjahr bei einem Flohmarkt in der Nachbarschaft weitergeben würde. Und hofft, auch dort ihre Nachbarn noch besser kennenzulernen. Sie zitiert, was der Islam zu guter Nachbarschaft lehrt:
Gewiss ist es das Recht deines Nachbarn, ihn (und sein Anwesen) zu hüten, wenn er abwesend ist, ihn zu ehren, wenn er anwesend ist und ihm zu helfen, wenn er unterdrückt wird. (…) Lass ihn nicht im Stich in schweren Zeiten, hilf ihm aus der Verlegenheit, vergib ihm seine Fehler und pflege mit ihm ein ehrenhaftes Zusammenleben.
Das wünscht sich Batul für ihre Nachbarschaft auch.
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