Der Pflegenotstand bringt Pflegekräfte und Angehörige in Deutschland an ihre Grenzen – neue Ideen und Ansätze sind dringend gefragt. Dabei ist klar, dass keine einzelne Lösung das gesamte System entlasten kann. Wir bei nebenan.de haben uns gefragt: Kann nachbarschaftliche Hilfe eine Unterstützung bieten, insbesondere dort, wo menschliche Nähe und Zeit gefragt sind? Darüber haben wir mit Denny L., einer ausgebildeten Betreuungskraft für Senior:innen, gesprochen.
Vom Agenturleben zur Alltagsbegleitung
Denny L., gebürtiger Berliner, hat sich nach einer beruflichen Laufbahn in der Kommunikationsbranche für einen komplett neuen Weg entschieden. Bei ehrenamtlichen Besuchen eines 90-jährigen Senioren im Altenheim erkannte er, wie sehr ihm die Arbeit mit älteren Menschen am Herzen liegt – und schulte um. Heute ist Denny als zertifizierte Betreuungskraft in Berliner Nachbarschaften unterwegs und unterstützt ältere Menschen. Er begleitet sie zu ärztlichen Terminen, hilft beim Einkaufen und übernimmt Aufgaben im Haushalt. Medizinische Tätigkeiten gehören nicht dazu – dafür schenkt er Zeit, Aufmerksamkeit und ein offenes Ohr. Er will den Senior:innen die Möglichkeit geben, Dinge zu unternehmen, die ihnen Freude bereiten, sagt er selbst.
Pflegekräfte, die ambulant oder in Einrichtungen tätig sind, kann ich mit meiner Qualifikation unterstützen. Allerdings könnte ich meine aktuelle Unterstützung ohne die großartige Leistung der Pflegekräfte nicht anbieten.
Pflegekrise: Unterstützung aus der Nachbarschaft
Der Pflegenotstand ist spürbar: In Deutschland fehlen über 160.000 Pflegekräfte – und die Lücke wird immer größer. Das erlebt auch Denny in seinem Arbeitsalltag: In vielen Pflegeeinrichtungen bleibt aufgrund des Personalnotstands wenig Zeit für zwischenmenschliche Kontakte, obwohl gerade diese die Lebensqualität der Pflegebedürftigen enorm verbessern könnten. „Man sagt, die ältere Generation lebt am Rand der Gesellschaft. Ich finde, dass sie eher am Rand existiert“, beschreibt Denny die Situation.
Welche Rolle kann Nachbarschaftshilfe in diesen Zeiten spielen? Auch wenn die professionelle Pflege unersetzlich bleibt, sieht Denny in nachbarschaftlicher Hilfe eine wertvolle Ergänzung in der Alltagsbetreuung von Senior:innen. Tätigkeiten wie Einkaufshilfe oder Gesellschaft leisten bedeuten für ältere Menschen oft viel.
Es ist unglaublich viel wert, wenn eine Person weiß: Da kommt jemand zu mir und der kommt nur wegen mir.
Eine Nachbarschaftsplattform wie nebenan.de empfindet Denny dabei als ideale Unterstützung für Angehörige und Pflegekräfte, gerade durch die räumliche Nähe und die Möglichkeit, sich schnell zu vernetzen. So entstehen wertvolle Kontakte, die den Alltag älterer Menschen bereichern und den Pflegedruck lindern können. Eine Bekannte von ihm fand über nebenan.de Studierende, die mit ihrem Hund spazieren gehen und Besorgungen erledigen. „Für uns ist das eine Kleinigkeit, aber für Ältere kann das ein riesiger Unterschied sein“, sagt Denny.
Isolation im Alter: Wenn das Leben einsamer wird
Wir möchten von Denny wissen, ob er in seinem Arbeitsalltag unter den älteren Menschen viel Einsamkeit erlebt. Er beschreibt seine Erfahrung so: Ob nach einem Verlust, durch körperliche Einschränkungen oder wegen fehlender sozialer Kontakte – viele Senior:innen verbringen ihre Tage allein. Diese Isolation führt oft zu negativen Gedanken und verstärkt das Gefühl, nicht mehr Teil der Gesellschaft zu sein. „Wenn Menschen mehrere Wochen alleine sind und sich nicht austauschen können, fällt es ihnen unglaublich schwer, sozial aktiv zu sein”, weiß Denny.
Doch schon mit wenigen Stunden gemeinsamer Zeit und aufmerksamem Zuhören kann man viel bewirken. „Die Einsamkeit unter älteren Menschen ist ein großes Thema. Ich denke aber, dass man sie Stück für Stück bekämpfen kann – mit gemeinsamer Zeit”, sagt Denny.
3 Tipps, um für Ältere aktiv zu werden
Ältere Menschen zu unterstützen, klingt oft nach einer großen Verantwortung – und es ist verständlich, wenn man zunächst zögert. Mit drei Tipps zeigt Denny, wie wir Senior:innen auch unkompliziert zur Seite stehen kann:
Starte mit kleinem Engagement: „Ein Post auf nebenan.de ist ein erster Schritt“, rät Denny. Überlege dir vorab, wie viel Zeit du geben kannst und wie oft du unterstützen möchtest – auch kleine, regelmäßige Gesten können eine große Wirkung haben.
Halte die Augen offen in deiner Nachbarschaft: Häufig hilft es, im eigenen Wohnhaus oder auf der Straße aufmerksam zu sein und anzusprechen, wer vielleicht Unterstützung gebrauchen könnte. Achte dabei darauf, zunächst freundlich zu fragen und nicht direkt aktiv zu werden, um Übergriffigkeit zu vermeiden.
Beginne mit kleinen Schritten: Niedrigschwellige Hilfsangebote wie Müll rausbringen oder das Abholen von Medikamenten sind eine gute Möglichkeit, zu helfen, ohne große Verpflichtungen einzugehen. „Für uns ist das kaum Aufwand, für mobilitätseingeschränkte Personen bedeutet es jedoch eine große Entlastung”, erklärt Denny.
Wie das Engagement für Ältere auch uns bereichert
Was ihm die Arbeit mit älteren Menschen zurückgibt, möchten wir zum Abschluss wissen. Denny erzählt, dass er gelernt hat, wie wertvoll einfaches Zuhören sein kann. Die Geschichten und Erfahrungen älterer Menschen geben ihm Einblicke in eine andere Generation, erfüllen ihn mit Dankbarkeit – und setzen eigene Probleme in Perspektive. Für ihn ist klar: Wer auch nur wenig Zeit schenkt, bekommt viel zurück – durch das Gefühl der Verbundenheit und echte zwischenmenschliche Beziehungen.
„Ich würde mich freuen, wenn sich noch mehr Menschen für die Arbeit mit Älteren begeistern und sich trauen, aktiv zu werden“, sagt Denny. Seine Erfahrung macht deutlich: Schon wenige Stunden, ein offenes Ohr und eine anpackende Hand können das Leben einer älteren Person bereichern – und die wichtige Arbeit der Pflegekräfte sinnvoll ergänzen.
Wir danken Denny für das Interview!
Möchtest du mehr über Dennys Arbeit erfahren? Dann besuche sein Profil auf nebenan.de und nimm Kontakt auf.
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