Herr Vollmann, der „Tag der Nachbarn“ ist ein bundesweiter Aktionstag für mehr Nachbarschaft. Was möchte die nebenan.de Stiftung mit diesem Tag erreichen?
Michael Vollmann: Die nebenan.de Stiftung möchte erreichen, dass sich Nachbarn besser kennen lernen, die vielleicht schon lange nebeneinander leben, aber noch nie in Kontakt gekommen sind. Das heißt: Einfach mal rübergehen, klingeln, sich einladen und dann ein kleines Fest zusammen feiern.
Warum ist das wichtig?
Wir glauben, dass Nachbarschaft der Kitt ist, der die Gesellschaft im Innersten zusammenhält.
Das heißt, je mehr Leute ich in meinem direkten Wohnumfeld kenne, je mehr Leuten ich vertraue, desto friedlicher und reibungsloser ist das Zusammenleben. Wir veranstalten den "Tag der Nachbarn", um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland zu stärken.
Es gibt in anderen Ländern ähnliche Aktionstage, zum Beispiel in Frankreich das „Fête des Voisins“. Warum brauchen wir so einen Tag auch in Deutschland?
Unsere Europäischen Nachbarn machen uns großartig vor, wie man an einem Tag Millionen von Menschen animieren kann, kleine dezentrale Nachbarschaftsfeste miteinander zu feiern. Da reichen auch schon drei Stühle im Hinterhof. Es geht darum, sich persönlich besser kennenzulernen, sich zu begegnen, sich auszutauschen und Vertrauen zu schaffen.
In Deutschland gibt es einen solchen zentralen Tag bisher nicht. In einzelnen Städten wird er zum Teil in kleinerer Form gefeiert, aber es gibt noch keinen bundesweiten Aktionstag, der das ganze zusammenfasst und der den lokalen Anwohnern zeigt, dass sie Teil von etwas größerem Ganzen sind. Darum haben wir uns sehr gerne der europäischen Initiative des "European Neighbours' Day" angeschlossen. Wir wollen jetzt im ersten Jahr versuchen, den Tag hier im Land bekannt zu machen und lokale Initiatoren zu unterstützen.
In Deutschland wird befürchtet, dass die Spaltung der Gesellschaft weiter zunimmt. Wie kann der Tag der Nachbarn dem entgegenwirken?
Wir sehen, dass die Vereinsamung stark zunimmt. Menschen werden immer älter aber auch immer isolierter. Vor allem weil auch gesellschaftliche Plätze, an denen man sich früher getroffen hat, an Bedeutung verlieren. Kirchen und Vereine klagen über Mitgliederschwund. Auch die Nachbarschaft in seiner traditionellen Form nimmt stärker ab. Es gibt einen Rückzug ins Private und ins Digitale. Ich bin auf Facebook mit Leuten auf der ganzen Welt vernetzt, aber kenne meinen Nachbarn, mit dem ich Tür an Tür lebe, nicht beim Vornamen.
Wir glauben, dass es lokale Gemeinschaften braucht, die solidarisch miteinander umgehen. So können viele gesellschaftliche Probleme, die im Großen unlösbar erscheinen, im Kleinen erfolgreich angegangen werden.
Was habe ich als Nachbar davon, beim Tag der Nachbarn mitzumachen und ein eigenes Fest zu veranstalten?
Zunächst versprechen wir Ihnen, dass Sie bestimmt großen Spaß haben werden und eine Menge Überraschungen erleben werden! Denn auch neben Ihnen wohnen spannende Leute, jeden Alters, vieler Religionen, vieler persönlicher und sozialer Hintergründe, die Sie noch gar nicht kennen. Das heißt, wenn Sie offen sind für eine Entdeckungsreise, müssen Sie gar nicht weit schweifen, sondern können auch nebenan große Schätze entdecken und neue Freunde gewinnen.
Wie kann ich konkret beim Tag der Nachbarn mitmachen?
Das ist ganz einfach! Sie gehen auf www.tagdernachbarn.de, melden Ihr Fest an und bekommen Ende April ein kostenloses Mitmach-Paket zugeschickt. Darin sind Poster, Einladungen, Anleitungen, Tipps und Tricks sowie ein paar Spiele, mit denen Sie ganz einfach das Fest ausrichten können und mit Ihren Nachbarn ins Gespräch kommen.
Wenn ich heute mein Fest anmelde, muss ich dann schon ganz genau wissen, wie ich mein Fest gestalte?
Nein, jetzt ist erstmal die Zeit, um den Nachbarn ein kleines „Save the Date“ zu schicken. Das heißt, einfach auf www.tagdernachbarn.de schon mal ein Fest anmelden und den Nachbarn davon erzählen. Die Informationen auf der Webseite können Sie jederzeit bearbeiten. Wenn dann das Mitmach-Paket kommt, können Sie richtig loslegen.
Sie sagen, Sie wollen am Tag der Nachbarn "tausend Feste" feiern. Wie viele Feste wünschen Sie sich tatsächlich?
Da wir das dieses Jahr zum ersten Mal machen, haben wir uns mit den "tausend" eine gute Zielmarke gesetzt. Wir hoffen natürlich, dass es sogar "tausende" werden. Es kommt aber gar nicht so sehr auf die Quantität an. Wir wollen vor allem, dass es qualitativ tolle Begegnungen sind und vor Ort schöne Feste entstehen.
Wer sollte sich am Tag der Nachbarn außer Privatpersonen noch beteiligen?
Für Privatpersonen ist es natürlich am einfachsten. Das Fest kann ich in meinem Hinterhof, auf dem Bürgersteig, auf dem Parkplatz oder im Park machen. Wir laden aber auch Kitas, Schulen, Vereine, Kirchengemeinden, diakonische und karitative Organisationen sowie lokales Gewerbe ein, an diesem Tag ihre Türen für ihre Nachbarn zu öffnen, selbst ein Fest zu veranstalten oder Feste in der Nachbarschaft zu unterstützen.
Werden Sie persönlich auch ein Fest veranstalten?
Ja klar! Ich habe mein Fest schon angemeldet. In Berlin-Kreuzberg werde ich mit meinen Nachbarn im Hinterhof den Grill anschmeißen. Damit will ich vor allem die Nachbarn erreichen, die nicht mehr so jung und Internet-affin sind und die ich bisher immer nur kurzangebunden grüße. Diese Nachbarn möchte ich gerne einladen.
Die nebenan.de Stiftung initiiert den Tag der Nachbarn. Durch welche Partner wird die Aktion unterstützt?
Der Tag der Nachbarn wird unterstützt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von der Deutschen Fernsehlotterie, von der Diakonie Deutschland und EDEKA. Wir freuen uns auch, dass wir die drei kommunalen Spitzenverbände und die WALL AG überzeugen konnten, mitzumachen. Wir haben auch ein großes Netzwerk an lokalen Partnern, die uns in der Kommunikation unterstützen, wofür wir sehr dankbar sind.
Welche Veranstaltung und Events plant die nebenan.de Stiftung abseits vom Tag der Nachbarn, um für mehr Nachbarschaftlichkeit in Deutschland zu sorgen?
Wir vergeben einmal im Jahr den "Deutschen Nachbarschaftspreis". Dazu laden wir alle nachbarschaftlichen Gruppen, Initiativen und Projekte, aber auch Organisationen ein, ihre Arbeit einzureichen. Wir wählen die herausragendsten nachbarschaftlichen Projekte aus und fördern sie mit bis zu 50.000 Euro.